1,1,6-Trimethyl-1,2-dihydronaphthalin (TDN) in Riesling – Sensorische Relevanz und Minimierungsstrategie

  • Riesling wird neben seiner mannigfaltigen Variabilität im Aromaprofil, das unter anderem durch die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit entsteht, vor allem in Deutschland auch wegen seiner Kältetoleranz und Anpassungsfähigkeit geschätzt. Er gilt zudem auch als alterungsfähiger Wein, allerdings kommt es bei zu starker Sonnenexposition der Rebe und langer bzw. warmer Lagerung vermehrt zur Bildung von 1,1,6-Trimethyl-1,2-dihydronaphthalin (TDN). Dieser von Carotinoiden abstammende Aromastoff verursacht die sogenannte „Petrolnote“, die vor allem in wärmeren Anbauregionen zum sortentypischen Bukett des Rieslings gehört. Deutsche Rieslingweine zeichnen sich dagegen überwiegend durch einen säurebetonten, fruchtigen Charakter aus, bei dem das Auftreten einer Petrolnote vor allem im Fall von Jungweinen als unpassende Fehlnote empfunden wird. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war deswegen, die sensorische Relevanz von TDN zu evaluieren und Maßnahmen zu realisieren, die geeignet sind, die Konzentrationen an freiem und gebundenem TDN zu verringern und dadurch das Auftreten der Petrolnote zu vermeiden. Dafür wurde zunächst in Kapitel 6.1 die Empfindlichkeit von Verbrauchern und geschulten Prüfern gegenüber TDN sowie die Konzentration bestimmt, ab der die Petrolnote zu einer Ablehnung des Weins durch Verbraucher führt. Während geschulte Prüfer Rieslingweine bereits ab einem TDN-Gehalt von 2,3 µg/L unterscheiden konnten, lag die Wahrnehmungsschwelle von 156 Verbrauchern mit 14,7 µg/L um ein Mehrfaches darüber, und wurde außerdem durch das Geschlecht der Probanden beeinflusst. Die Petrolnote führte ab TDN-Gehalten von 60 µg/L bei einjährigem und 91 µg/L bei achtjährigem Riesling zur Ablehnung des Weins. Die Konzentration an freiem TDN in 261 Rieslingweinen aus drei verschiedenen Weinwettbewerben überstieg bei rund der Hälfte der Weine die Wahrnehmungsschwelle von geschulten Prüfern, während die Wahrnehmungsschwelle von Verbrauchern nur von 15% der Weine überschritten wurde. Gleichzeitig lag bei keinem der Weine der TDN-Gehalt über der Ablehnungsschwelle. Durch die Evaluierung der instrumentellen Analyseparameter in Kapitel 6.2 wurde für die Untersuchung von freiem TDN und weiteren Aromastoffen eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, nicht nur die TDN-Konzentrationen zu erfassen, sondern auch eine umfassende Qualitätsbewertung der Versuchsweine durchzuführen. Parallel dazu wurde eine Schnellmethode zur Erfassung der Gehalte an gebundenem TDN und Vitispiran implementiert, um auch die Effektivität der in dieser Arbeit durchgeführten weinbaulichen und oenologischen Praktiken im Hinblick auf das TDN-Potential zu beurteilen. Kapitel 6.3 und 6.4 beschreiben weinbauliche Maßnahmen, die in mehrjährigen Studien auf ihre Eignung zur Reduzierung der TDN-Konzentration untersucht wurden. Während bei den Weinen, die aus Beeren unterschiedlicher Größe hergestellt wurden, keine signifikanten Unterschiede über die Jahrgänge hinweg beobachtet wurden, konnte durch die Variation der Rebunterlagen der Gehalt an gebundenem TDN um rund 30% reduziert werden. Ausgangspunkt einer weiteren Versuchsreihe waren acht verschiedene Rieslingklone auf derselben Unterlage, welche anschließend auf ihren TDN Gehalt untersucht wurden. Dabei wurden deutliche Differenzen in der Disposition einiger Klone zu höheren Gehalten an gebundenem TDN festgestellt. Hier ergab sich eine positive Korrelation zwischen der Lockerbeerigkeit der Trauben und der Menge an gebundenem TDN in den produzierten Weinen – je kompakter die Traube, desto weniger gebundenes TDN und gebundenes Vitispiran wurde gebildet. Die höhere Sonnenexposition der Beeren, die diesen Effekt hervorruft, beeinflusste auch die Gehalte an gebundenem TDN und Vitispiran in Weinen, die von Reben geerntet wurden, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in variierender Intensität entblättert wurden. Dabei führt sowohl eine maximale Entblätterung in der Traubenzone wie auch die Laubentfernung einen Monat nach der Blüte zu einer Erhöhung der Konzentration an gebundenem TDN und Vitispiran von rund 50%. Entblätterungsmaßnahmen zur Blüte oder zur Véraison, die der Regulierung der Erntemenge und der Traubengesundheit dienen, führten dagegen zu keinem Anstieg im Vergleich zur nicht-entblätterten Kontrolle. Wie in Kapitel 6.5 ausgeführt wird, resultiert ein hoher Pressdruck beim Keltern sowie ein niedriger Stickstoffgehalt des Mosts in einer Zunahme des gebundenen TDN von 50 100%. Höhere Säuregehalte während der Lagerung verursachten in mehreren Versuchsreihen nicht nur eine höhere Freisetzungsrate von TDN, sondern auch einen verstärkten Abbau anderer Aromastoffe wie Ester, β-Damascenon oder Linalool. Dagegen hatte ein niedriger pH-Wert während der Gärung kaum Einfluss auf den Hefemetabolismus und die dadurch gebildeten Aromastoffe. Die Erhöhung der Gärtemperatur von 12 auf 24 °C hatte jedoch eine Zunahme von honig- oder petrolartigen Noten in den Rieslingweinen zur Folge. Die Verwendung unterschiedlicher Hefestämme führte zu einer Variation der Konzentrationen an gebundenem TDN zwischen 70 und 147 µg/L, abhängig vom Hefestamm und dem Jahrgang. Zwei der untersuchten neun Hefen brachten Weine mit bis zu 40% geringeren Gehalten an gebundenem TDN in Mosten mit hohem Stickstoffgehalt hervor, während drei weitere Hefen besser für den Einsatz in nährstoffarmen Most geeignet waren. Bei der Lagerung der Weine spielte die Lagertemperatur eine entscheidende Rolle in Bezug auf den Gehalt an freiem TDN, gefolgt vom Material des Flaschenverschlusses und der Flaschenorientierung. Mittels geeigneter Filtermaterialien, die in Kapitel 7 beschrieben sind, wurde der Gehalt an freiem Wein um bis zu 80% reduziert, ohne die meisten der anderen Aromastoffe signifikant zu beeinflussen. Somit wurde durch diese Arbeit ein vielfältiger Maßnahmenkatalog für die Weinwirtschaft entwickelt, der geeignet ist, den Anforderungen des fortschreitenden Klimawandels entgegenzutreten und die herausragende Position des Rieslings in Deutschland zu sichern.
  • Riesling is considered as one of the most noble wine varieties especially appreciated in Germany for its cold tolerance, drought resistance and high adaptability to a wide range of mesoclimates and soil types. Riesling wines are produced on every wine-growing continent and excel in the transfer of terroir, soil type and style into its aroma profile. High sun exposure of the vines and long-term storage of the wines cause formation of the C13-norisoprenoid 1,1,6 trimethyl-1,2-dihydronaphthalene (TDN) eliciting a kerosene-like flavor in Riesling wines. Being appreciated by numerous winemakers especially in the southern hemisphere and contributing to its aged character, early formation in young wine can disturb the balance of the wine evoking the ‘petrol off-flavor’ that might cause rejection of the wines by consumers. In this thesis, numerous viticultural and enological practices are assessed towards their capability to reduce the formation of bound and free TDN, avoiding the emergence of the petrol off-flavor. For this purpose, sensory pertinence of TDN on the perception and rejection thresholds of trained panelists and consumers was investigated in Chapter 6.1. While trained panelists were able to distinguish Riesling wines with TDN levels of 2.3 µg/L, consumer detection threshold of 14.7 µg/L TDN determined with 156 consumers exceeded the threshold of the trained panel by a factor of five and varied by consumers’ gender. Rejecting a Riesling wine due to its petrol off-flavor, 60 µg/L TDN were required in a young and 91 µg/L in an eight-year-old Riesling wine. Based on analytical data for 261 commercial Riesling wines, geographic origin and to a smaller extent wine age contributed to large differences in TDN concentrations. About half of the investigated wines exceeded the detection threshold of the trained panel, whereas consumers would have noticed TDN in only less than 15% of the Riesling wines. None of the wines exceeded the consumer rejection threshold of TDN. Evaluation of instrumental parameters in Chapter 6.2 enabled the development of an analytical method for the determination of free TDN and other volatile aroma compounds. This facilitated not only tracking TDN concentrations but also provided a more holistic view on the aroma profile of the resulting wines. At the same time a method was implemented for the rapid analysis of bound TDN and vitispirane to evaluate the viticultural and oenological measures on the TDN potential of Riesling wines. Chapters 6.3 and 6.4 describe the impact of viticultural practices on the formation of free and bound TDN, vitispirane and other volatiles. Wines produced from the same Riesling clone, which was grafted on six different rootstocks, varied up to 30% throughout two vintages in respect to their concentrations of free and bound TDN and vitispirane as well as other volatiles. Over three vintages, the same compounds differed significantly among wines made from eight Riesling clones grafted on the same rootstock. Genetically determined loose grape clusters favored the formation of TDN and yielded wines of stronger sensory petrol intensity. Berry size, however, had no relevant impact on TDN and VS formation. Implementation of minimal pruning yielded significantly higher concentrations of bound TDN alike other volatiles compared to vines trained in a vertical shoot positioning. Thus, processing grapes from minimal pruned Riesling vines may induce the undesired petrol off-flavor. Though, the simultaneous increase of other volatiles, might contribute to a favorable masking of the petrol note. Delaying harvest triggered formation of bound TDN as well as other C13-norisoprenoid, 4 vinylguaiacol and linalool concentration, while no beneficial effect on other volatiles could be observed. Throughout three vintages, identical vines were subjected to defoliation treatments, varying in time point and extent of leaf removal. Defoliation of vines 30 days past bloom, likewise extension of leaf removal, raised levels of bound TDN and vitispirane by 50%. Gentle leaf removal at bloom or véraison yielded lowest levels of bound TDN, without compromising overall impression of the resulting wines at sensory analyses. The effect of oenological practices was assessed in Chapter 6.5, elucidating their effects on the formation of TDN and release of the sensorial active free TDN. High pressure during grape juice production and low levels of yeast assimilable nitrogen in grape juice triggered concentration of bound TDN by 50-100%. Low pH during bottle storage had a detrimental effect on levels of ester compounds, linalool and β-damascenone, while the formation of free TDN and VS was fostered. At the same time, high acidity levels of the grape juice did not affect yeast metabolism during fermentation and the resulting aroma compounds. However, raising fermentation temperature from 12 to 24 °C yielded more honey-like and petrol-affine wines than cooler processing conditions. Nine commercial yeast strains were evaluated with a favorable outcome towards levels of bound TDN, altering concentrations between 70 and 147 µg/L due to yeast strain and vintage effects. Two of the investigated nine yeasts were capable to reduce bound TDN by 40% applied in grape juice with high nitrogen levels, while three more yeasts were more suitable for the use in low nutrient grape juice. High storage temperatures were crucial for the release of free TDN, followed by choice of bottle closure type and storage position. Using suitable filter materials in Chapter 7, the concentration of free TDN in wine could be diminished by up to 80% without losing substantial amounts of other volatile compounds. In conclusion, the set of viticultural and oenological measures elucidated in this work provides suitable tools for winegrowers and winemakers to face advancing climate change and to ensure the production of high-quality Riesling wines.

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Metadaten
Author:Michael ZieglerORCiD
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-61364
Advisor:Ulrich FischerORCiD
Document Type:Doctoral Thesis
Language of publication:Multiple languages
Date of Publication (online):2020/11/07
Date of first Publication:2020/11/07
Publishing Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Granting Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Acceptance Date of the Thesis:2020/07/16
Date of the Publication (Server):2020/11/11
Tag:Riesling; TDN
Page Number:XII, 221
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Chemie
DDC-Cassification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 540 Chemie
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)