Melanie Xu

• In der vorliegenden Literaturarbeit wird der aktuelle Diskurs zur Ethik generativer KI untersucht. In vielen Anwendungsfeldern künstlicher Intelligenz ist die ethische Diskussion fortgeschritten und findet bereits Niederschlag in Regularien. Doch Technologien und Geschäftsmodelle im Bereich generativer KI wie beispielsweise das im November 2022 veröffentlichte Sprachmodell ChatGPT setzen neue Maßstäbe – und die ethische Diskussion unter Druck. Die Untersuchung internationaler und deutscher kollektiver Stellungnahmen, Vereinbarungen, Gesetzgebungsprozesse und Studien (sowie einschlägiger Statements einzelner Autoren) aus dem Jahr 2023 zeigt, dass bei der Formulierung einer neuen Bereichsethik für generative KI in erster Linie die KI-generierten Inhalte (der sog. „Output“) in Betracht gezogen werden. Für eine seriöse ethische Debatte greift diese Art von „Produktorientierung“ nach Ansicht der Autorin jedoch zu kurz. Die Voraussetzungen generativer KI-Systeme müssten ebenso ethisch reflektiert werden wie ihr Output. Gerade wenn eine kulturelle Bereicherung durch den Einsatz generativer KI behauptet wird und dieser von der Gesellschaft ethisch-normativ „abgesegnet“ werden soll, ist die Frage zu stellen, mit welchem Zugriff auf unsere Kultur- und Geistesgeschichte generative KI operiert, um zu ihren staunenswerten Ergebnissen zu gelangen. Dieser Zugriff stellt sich als Raubbau an der vom Menschen geschaffenen Kultur dar, analog dem Raubbau an der Natur, den KI-Systeme durch ihren gewaltigen Verbrauch an Energie und materiellen Ressourcen verursachen. Die vorliegende Arbeit plädiert dafür, diese problematischen Voraussetzungen generativer KI stärker in die ethische Diskussion einzubeziehen.