Welche Kinder und Familien profitieren inwiefern von der Multisystemischen Therapie Kinderschutz?
- Kinder und Jugendliche, die von Misshandlung und/oder Vernachlässigung betroffen sind, haben ein erhöhtes Risiko, psychische Störungen und eine Reihe verschiedener Komorbiditäten zu entwickeln. Die Multisystemische Therapie Kinderschutz (MST-CAN; Multisystemic Therapy for Child Abuse and Neglect) ist ein evidenzbasiertes, aufsuchendes Behandlungsprogramm zur Reduktion von Kindesmisshandlung und/oder -vernachlässigung in den betroffenen Familien. Die allgemeine Wirksamkeit der Behandlung konnte in einer randomisierten kontrollierten Studie demonstriert werden. Die bedeutende Frage, welche Kinder und Familien von der MST-CAN inwiefern profitieren, blieb bis dato jedoch unbeantwortet. Ziel der vorliegenden kumulativen Dissertation ist es, einen Beitrag zu dieser Forschungslücke zu leisten. Dazu wurden drei Studien konzipiert. Alle Daten dafür entstammen der Evaluationsstudie zur MST-CAN in der Schweiz. Das Ziel der ersten Studie (Buderer et al., 2020) war die Untersuchung des allgemeinen Benefits der MST-CAN hinsichtlich der Verhaltensauffälligkeiten und der emotionalen Probleme der Kinder, ihrer Bindungsauffälligkeiten sowie der kindlichen Vernachlässigung. In einem quasiexperimentellen Studiendesign wurden unter Einbezug einer Vergleichsgruppe mit fremdplatzierten Kindern einer stationären Pflegeeinrichtung die Daten nach Alter und Geschlecht gematcht und die Ergebnisse beider Gruppen miteinander verglichen. Es zeigten sich eine Reduktion des Schweregrades der kindlichen Vernachlässigung sowie eine Reduktion der Verhaltensauffälligkeiten und der emotionalen Probleme bis sechs Monate nach der Behandlung. In beiden Gruppen ergab sich eine Reduktion der Verhaltensauffälligkeiten, der emotionalen Probleme und der Bindungsauffälligkeiten. Die zweite Studie (Buderer et al., 2024) hatte zum Ziel, die Charakteristika der zur MST-CAN zugewiesenen Kinder und Familien sowie deren Zusammenhänge mit den Behandlungsergebnissen in einem personenorientierten Ansatz zu untersuchen. Es konnten fünf Subgruppen auf Basis der kindlichen Psychopathologie identifiziert werden: a) Kinder mit ängstlich-vermeidenden Symptomen, b) Kinder mit multiplen Symptomen, c) Kinder mit externalisierenden Symptomen, d) Kinder mit normativen Emotionen und normativem Verhalten sowie Eltern, die weniger gestresst waren und weniger psychische Belastungen aufwiesen, sowie e) Kinder mit internalisierenden Symptomen und Eltern, deren psychische Belastung sich verschlechterte. In der dritten Studie (Buderer et al., 2024) wurden mittels kombiniertem variablen- und personenorientiertem Ansatz die differentiellen Behandlungsergebnisse und Verläufe der Subgruppen im Sinne von Symptomklassenveränderungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass vier der fünf Gruppen (80 %) von der Behandlung profitierten. Kinder mit externalisierenden Symptomen hatten den größten Benefit. Kinder mit multiplen Symptomen zeigten Verbesserungen in einzelnen Symptombereichen. Für Kinder mit ängstlich-vermeidenden Symptomen war die Behandlung hinsichtlich ihrer spezifischen Symptomatik von Nutzen. Kinder mit internalisierenden Symptomen zeigten keine Veränderungen, wobei Kinder mit normativen Emotionen und ebensolchem Verhalten Verbesserungen aufwiesen. Die kindliche Vernachlässigung konnte bei drei (60 %) Subgruppen reduziert werden. Die LICUR-Methode (Linking clusters after removal of a residue) ergab stabile Subgruppen über die Messzeitpunkte hinweg für Kinder mit externalisierenden und multiplen Symptomen und weist damit auf Symptomklassenstabilität hin. Kinder mit internalisierenden Symptomen wechselten die Subgruppe zu den Kindern mit Symptomen des sozialen Rückzugs. Die Studienergebnisse legen die allgemeine Wirksamkeit der MST-CAN in der Schweiz nahe und liefern Evidenz für das Vorhandensein von Subgruppen mit unterschiedlichen klinischen Bedürfnissen, die gut auf die Behandlung ansprechen, sich jedoch in den Ausprägungen der Veränderungen unterscheiden. Die Untersuchung der Passung von Kindern und Familien mit der Behandlung kann bedeutende Erkenntnisse über die individuellen Bedürfnisse der Kinder und der Familien liefern, woraus sich passgenaue Interventionen ableiten lassen, insbesondere für diejenigen Kinder, die weniger oder nicht auf die Behandlung ansprechen. Die Ergebnisse dieser Dissertation können für andere Behandlungsprogramme mit Kindern und Familien eines Hochrisiko-Kontextes von Interesse sein.
Author: | Corinna Buderer |
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URN: | urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-84556 |
DOI: | https://doi.org/10.26204/KLUEDO/8455 |
Advisor: | Tina In-Albon, Marc Schmid |
Document Type: | Doctoral Thesis |
Cumulative document: | Yes |
Language of publication: | German |
Date of Publication (online): | 2024/11/11 |
Date of first Publication: | 2024/11/19 |
Publishing Institution: | Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau |
Granting Institution: | Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau |
Acceptance Date of the Thesis: | 2024/10/30 |
Date of the Publication (Server): | 2024/11/19 |
Page Number: | XII, 130 Seiten |
Faculties / Organisational entities: | Landau - Fachbereich Psychologie |
DDC-Cassification: | 1 Philosophie und Psychologie / 150 Psychologie |
Licence (German): | Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0) |