Reichweite der Privilegierung militärischer Belange in der städtebaulichen Planung und bei der Zulassung von Vorhaben

  • Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine markiert eine Wende in der Verteidigungspolitik Deutschlands, was mit einer Verstärkung der Bundeswehr und damit dem Ausbau von Standorten und der Beschaffung von Liegenschaften einhergeht. Die Hochphase der militärischen Flächeninanspruchnahme bestand zum Zeitpunkt des NATO-Beitritts. Als Rechtsgrundlage diente das eigens hierfür geschaffene Landbeschaffungsgesetz. Das Landbeschaffungsverfahren fügt sich dabei tatbestandlich nicht in die normierten Fälle der Planfeststellung ein und steht daher bis heute in der Kritik. Die erfolgreiche Landbeschaffung verdrängt die gemeindliche Planungshoheit und privilegiert die militärische Fachplanung i.S.d. § 38 BauGB. Zusätzlich wird die gemeindliche Planung durch den Übungslärm im Umfeld militärischer Liegenschaften und Einrichtungen erschwert. Neben dem Fachplanungsprivileg genießt die Bundeswehr bei der Zulassung und Genehmigung von militärischen Einrichtungen Privilegierungen in Form von gesetzlichen Ausnahmen von den Anforderungen der jeweiligen Gesetze. Die Entscheidung über die Ausnahme trifft regelmäßig der Bundesminister der Verteidigung, wobei ihm auch die Einschätzung obliegt, ob zwingende Gründe der Verteidigung die Ausnahme erfordern. Die vorliegende Untersuchung hat erstmalig die Reichweite und Grenzen der Privilegierung der militärischen Interessen bestimmt. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass das militärische Interesse an der Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der Verteidigung zwar von (abstrakt) hoher Bedeutung ist, sich aber die Gewichtigkeit im Einzelfall in der Abwägung durchsetzen muss bzw. bei der konkreten Ausnahmeentscheidung zu rechtfertigen ist. Die Inanspruchnahme von Ausnahmen ist ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Dabei können sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, ob die Maßnahme bzw. Einrichtung der Landesverteidigung dient. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass der Beurteilungsspielraum des Bundesministers der Verteidigung eine zentrale Rolle spielt und das nicht nur für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmen. Am Beispiel der Windkraftanlagen wird deutlich, dass die Beeinträchtigung des Militärbetriebs zur Versagung der Genehmigung der Windkraftanlagen führen kann. Die militärfachliche Einschätzung ist der gerichtlichen Kontrolle entzogen, denn Inhalt, Umfang und Erforderlichkeit von militärischen Maßnahmen basieren auf verteidigungspolitischen Erwägungen. Der militärische Übungsbetrieb steht sowohl in einem Spannungsfeld mit der städtebaulichen Planung als auch mit den Vorhabenträgern hoher Bauten, die potenziell den Übungsbetrieb stören, sowie im Rahmen der Ausnahmeentscheidung mit den gesetzlichen Zielen. Die Bedeutung des Klimaschutzes bzw. der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen i.S.d. Art. 20a GG hat eine hohe Bedeutung erfahren und ist bei jeder Planungs- oder Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Der Übungsbetrieb muss die Auswirkungen auf das Umfeld daher so gering wie möglich halten.
Metadaten
Author:Claudia Hintz
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-87270
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/8727
Advisor:Willy Spannowsky
Document Type:Doctoral Thesis
Cumulative document:No
Language of publication:German
Date of Publication (online):2025/02/20
Year of first Publication:2025
Publishing Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Granting Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Acceptance Date of the Thesis:2024/10/29
Date of the Publication (Server):2025/02/21
Tag:Belang der Verteidigung; Bundeswehr; Militärische Belange; Privilegierung Bundeswehr
Page Number:240
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Raum- und Umweltplanung
DDC-Cassification:3 Sozialwissenschaften / 340 Recht
7 Künste und Unterhaltung, Architektur, Raumplanung / 710 Landschaftsgestaltung, Raumplanung
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)