Augmented Reality, haptisch-interaktiv oder illustrativ? Entwicklung und Anwendung von Qualitätskriterien zum Vergleich von Modelltypen und deren Einfluss auf kognitiv-affektive Lernprozesse im Anfangsunterricht Chemie

  • Die Anwendung von Modellen ermöglicht das Verständnis komplexer Realitäten, die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen sowie die Entwicklung effektiver Lösungsstrategien in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Im naturwissenschaftlichen Unterricht sollen Schüler*innen befähigt werden, mithilfe abstrakter Modelle Phänomene zu beobachten und zu beschreiben, Hypothesen zu bilden und zu überprüfen sowie die Methoden der Erkenntnisgewinnung zu reflektieren. Im Fach Chemie stützen Teilchen- und Atommodelle das Verständnis für die Wechselbeziehung zwischen Stoff- und Teilchenebene. Der spiralcurriculare Wechsel zwischen verschiedenen Atom- und Bindungsmodellen trägt jedoch dazu bei, dass Lernende neue Modelle als verbesserte Wahrheit ansehen, statt deren parallele Existenz und die Trennung zwischen Modellvorstellung und Realität zu verstehen. Zudem ist der Übergang von der makroskopischen zur submikroskopischen Ebene für viele Lernende schwer nachvollziehbar. Klassische Anschauungsmodelle und Abbildungen mildern diese Schwierigkeiten nur bedingt, da sie oft als realitätsgetreue Abbilder missverstanden werden. Digitale Animationen bergen jedoch das Potenzial, die Verwechslungsgefahr von Modell und Realität zu verringern. Im Rahmen einer Interventionsstudie wird der Einfluss unterschiedlicher Modelltypen auf kognitiv-affektive Lernendenvariablen untersucht. Schüler*innen der achten Klassenstufe führen Experimente zu Lösungs- und Diffusionsprozessen durch und nutzen anschließend zu deren Deutung einen von drei Modelltypen: illustrative (IL) Modelle, haptisch-interaktive (HI) Modelle und Augmented Reality (AR)-Modelle. In einer ersten Studie werden Kriterien zur Bewertung der Qualität von Anschauungsmodellen entwickelt und empirisch geprüft. Eine zweite Studie evaluiert die drei Modelltypen anhand dieser Kriterien mittels eines Expert*innenratings. Diese vorgestellte Bewertung der Modellqualität gewährleistet eine fundierte und vergleichbare Basis für die nachfolgende Untersuchung der Modelleffekte und stellt die interne Validität der Untersuchung sicher. In der abschließenden Interventionsstudie wird die Wirksamkeit der unter-schiedlichen Modelltypen zum situationalen Interesse, Fachwissen sowie zum Modellverständnis der Schüler*innen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass AR-Modelle und IL-Modelle zu einer signifikanten Verbesserung des Modellverständnisses führen, während HI-Modelle keine signifikante Steigerung bewirken. In allen Gruppen konnte eine signifikante Zunahme des Fachwissens beobachtet werden. Für das situationale Interesse der Schüler*innen zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Modelltypen. Die konzipierten Experimente, Modelle und Lernumgebungen erweisen sich aufgrund ihrer hervorragenden Werte für die affektiv-kognitiven Kriterien als geeignete bildungspraktische Implikationen. Die Ergebnisse bieten wichtige Implikationen für die Gestaltung naturwissenschaftlichen Unterrichts, die Entwicklung kognitiv und affektiv förderlicher Modelle sowie Grundlagen für weiterführende Forschung zum Einfluss externer Repräsentationen auf das Modellverständnis.
  • Models facilitate the understanding of complex realities, the prediction of future developments, and the formulation of effective solution strategies in science, economics, and politics. In science education, students should be empowered to observe and describe phenomena using abstract models, formulate and test hypotheses, and reflect on methods of knowledge acquisition. In chemistry, particle and atomic models support the understanding of the interrelationship between substance and particle levels. However, the spiral curricular transition between various atomic and bonding models contributes to learners viewing new models as improved truths, rather than understanding their parallel existence and the distinction between model conception and reality. Furthermore, the transition from the macroscopic to the submicroscopic level is often challenging for many learners to comprehend. Traditional visual models and illustrations only partially mitigate these difficulties, as they are often misinterpreted as accurate representations of reality. Digital animations, however, hold the potential to reduce the risk of confusing models with reality. The influence of different model types on the cognitive-affective learner variables is investigated in an intervention study. Eighth grade students carry out experiments on solution and diffu-sion processes and then use one of three model types to interpret them: illustrative models, haptic-interactive models and augmented reality (AR) models. In a first study, criteria for evaluating the quality of illustrative models are developed and empirically tested. In a second study, the three model types are evaluated based on the previously defined criteria using an expert rating. The preceding assessment of model quality ensures a sound and comparable basis for the subsequent investigation of model effects. In addition, compliance with design and quality criteria during the conception of the different interventions ensures the internal validity of the study. The concluding intervention study examines how the different types of models affect students' situational interest, subject knowledge, and their understanding of the nature of models. The results show that the use of AR models or illustrative models leads to a significant improvement in model understanding, while haptic-interactive models do not lead to a significant increase. Subject knowledge increased significantly in all groups to the same extent. There was no significant difference between the model types for students' situational interest. The investigation’s results provide important implications for the design of science edu-cation, the development of cognitively and affectively supportive models, and the foundations for further research on the influence of external representations on the understanding of the nature of models.

Download full text files

Export metadata

Metadaten
Author:Tobias BierORCiD
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-89855
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/8985
Advisor:Björn Risch, Sandra Nitz, Markus Emden
Document Type:Doctoral Thesis
Cumulative document:No
Language of publication:German
Date of Publication (online):2025/04/16
Date of first Publication:2025/04/16
Publishing Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Granting Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Acceptance Date of the Thesis:2025/04/11
Date of the Publication (Server):2025/04/22
Tag:Modellkompetenz; Modellverständnis; Vorstellungen zum Teilchenmodell
Page Number:v, 215 Seiten
Faculties / Organisational entities:Landau - Fachbereich Natur- und Umweltwissenschaften
DDC-Cassification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 540 Chemie
MSC-Classification (mathematics):92-XX BIOLOGY AND OTHER NATURAL SCIENCES
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)