Methodik zur Auslegung und Herstellung von aktiven SMA-FKV-Hybridverbunden
- Der Anteil von Komponenten aus Faserkunststoffverbunden (FKV) ist in den vergangenen
Jahren speziell in den leichtbaugetriebenen Branchen stetig gestiegen, da der
Einsatz von FKV die Möglichkeit bietet, eine Gewichtsreduktion gegenüber Ausführungen
mit klassischen Metallwerkstoffen zu erzielen. Eine optimale Ausnutzung der
Vorteile von FKV kann jedoch nur durch faserkunststoffgerechte konstruktive Lösungen,
für die bisherige Ausführungen in Frage gestellt werden müssen, erreicht werden.
Nicht nur Materialien und Bauweisen für lasttragende Strukturen sind zu überdenken,
auch bisherige Lösungsansätze zur Realisierung aktorischer Funktionen, die
einen wesentlichen Teil vieler Produkte ausmachen, müssen hinterfragt werden.
Klassische diskret angeschlossene Aktoren können in diesem Zuge durch neuartige
Festkörperaktoren wie z.B. Formgedächtnislegierungen oder Piezokeramiken substituiert
werden. Durch den differenziellen Aufbau der FKV ist die direkte Integration
aktiver Formgedächtnislegierungen (engl. Shape Memory Alloys (SMA)) möglich und
es ergibt sich ein neues FKV-gerechtes Aktorikprinzip, welches eine material- und
flächenintegrierte Aktorik bietet. Wesentliche, bisher ungelöste Fragestellungen aktiver
SMA-FKV-Hybridverbunde werden in der vorliegenden Arbeit detailliert beleuchtet
und neue Lösungsansätze ausgearbeitet, um für einen zukünftigen industriellen
Einsatz die grundlegenden Voraussetzungen zu schaffen.
Um ein ganzheitliches Vorgehen zu gewährleisten, müssen offene Fragestellungen
im Bereich der Herstellung und simulativen Auslegung beantwortet werden. Die zentralen Fragen sind:
- Herstellung: Wie können zuverlässige aktive SMA-FKV-Hybridverbunde reproduzierbar
hergestellt werden?
- Simulation: Wie können aktive Komponenten aus SMA-FKV-Hybridverbund
auf Bauteilebene effizient ausgelegt werden?
Die Integrationsmethode des Herstellungsprozesses muss möglichst effizient die
Aufgaben Kraftübertragung zwischen SMA und FKV, elektronische Kontaktierung und Handling erfüllen. Dies wird mit einem innovativen Konzept, welches bei der
Kraftübertragung auf mechanische Verankerungen zwischen SMA-Elementen und
umgebendem FKV setzt, erreicht. Durch den Einsatz eines geschweißten SMAGitters
und lokal faserverstärkter Bereiche können die erforderlichen Aktorspannungen
übertragen werden. Weiterhin gewährleistet ein vorgefertigte SMA-Gitter einen
flexiblen Herstellungsprozess und ein reproduzierbares Herstellungsergebnis.
Zur Konzipierung einer optimalen Prozesstemperaturführung sind komplexe Randbedingungen
und auf den ersten Blick widersprüchliche Anforderungen aus den
etablierten Herstellungsprozessen von FKV-Materialien und dem thermisch sensiblen
SMA-Materialverhalten zu berücksichtigen. Eine Kalthärtung im ersten Schritt der
Hybridverbundherstellung aus duromerem FKV und SMA-Gitter erlaubt einen Verzicht
auf aufwendige Vorrichtungen zur Unterdrückung einer vorzeitigen Verformung
der SMA-Elemente. Eine weitere angepasste Temperung zur Erhöhung der Vernetzungsdichte
des duromeren Polymers verbessert die Leistungsfähigkeit zusätzlich,
wodurch die maximale Spitzenauslenkung (ohne äußere Last) bezogen auf die aktive
Länge einer Hybridstruktur von anfänglich 17 % auf mehr als 60 % gesteigert werden
kann.
Um eine simulative Abbildung dieser SMA-FKV-Hybridverbunde zur Auslegung aktiver
Komponenten einsetzen zu können, muss die Modellierung die notwendige Genauigkeit
liefern und effizient auf Bauteilskala einsetzbar sein. Das entwickelte Zustandslinien-
Modell des SMA-Materials wird diesen Anforderungen durch die Fokussierung
auf den Aktorikeffekt gerecht. Vorhergesagt werden kann damit der „aufgeheizte“
und „abgekühlte“ Zustand von Ein- und Zwei-Weg-Effekt-Materialien. Der Einfluss
der Steifigkeit der zu verformenden FKV-Komponente wird durch eine anwendungsnahe
Charakterisierung erfasst und fließt durch die analytische Beschreibung
der Zusammenhänge in das Modell ein. Konkrete Kennwerte stehen für ein Zwei-
Weg-Effekt-Material und zwei Ein-Weg-Effekt-Materialien mit unterschiedlicher Umwandlungstemperatur
und individueller Vordehnung (1,8 bis 6,3 %) zur Verfügung.
Durch die Beschreibung der gesamten Hybridverbunde mittels homogenisierter
Schalen in der Finiten-Elemente-Methode (FEM) kann auf die Abbildung der realen mikroskopischen Geometrie verzichtet werden und die Auslegung ganzer Komponenten
aus aktivem SMA-FKV-Hybridverbund wird ermöglicht.
Im Zuge der Validierung wird das experimentell bestimmte Aktorikverhalten mit der
simulativen Vorhersage abgeglichen. Da dieser Validierung die entwickelten Lösungen
in den Bereichen Herstellung und Simulation zugrunde liegen, verifiziert die erfolgreiche
Validierung die Anwendbarkeit der entwickelten Gesamtmethodik. Eine
gute Übereinstimmung kann bei Coupontests für Vordehnungen von bis zu 3 % sowie
für teilaktivierte Zustände der SMA-Elemente festgestellt werden.
Um zu verdeutlichen, wieso und unter welchen Randbindungen der Einsatz aktiver
SMA-FKV-Hybridverbunde technisch sinnvoll sein kann, werden verschiedene neuartige
Anwendungskonzepte beschrieben. Die wesentlichen Vorteile eines aktiven Hybridverbundes
gegenüber klassischer Aktorik-Struktur-Kombinationen werden durch
die abschließende Entwicklung eines aerodynamischen Profils als Demonstrator hervorgehoben.
Die wichtigsten Vorteile sind:
- Stark reduzierte Bauraumanforderungen
- Geringes Systemgewicht
- Große Designfreiheit
- Geschlossene kontinuierliche Oberfläche
- Geringer Montageaufwand
Der Demonstrator verdeutlicht außerdem, wie es mit den Ergebnissen dieser Arbeit
möglich ist, aktive Bauteile aus SMA-FKV-Hybridverbund im Hinblick auf eine konkrete
Anwendung systematisch und rechnergestützt auszulegen. Durch die entwickelte
Herstellungsmethodik können diese Hybridverbunde mit hoher Leistungsfähigkeit
bei minimalem Bauraum und geringer zusätzlicher Masse in reproduzierbarer
Qualität gefertigt werden. Neue innovative Funktionen, die sich nicht im Rahmen
klassischer Aktorikprinzipien realisieren lassen, werden umsetzbar und ermöglichen
signifikante Wertsteigerungen diverser Produkte.