Schadensfortschrittsentwicklung durch zyklische Belastung und deren numerische Modellierung unter Berücksichtigung nichtlinearer Werkstoffgesetze bei endloskohlenstofffaserverstärkten Polymerwerkstoffen
- Faser-Kunststoff-Verbunde haben in vielen technischen Bereichen eine stetig
wachsende Verbreitung erfahren. Diese rührt aus ihren vorteilhaften Eigenschaften
hoher gewichtsspezifischer Festigkeit und Steifigkeit. Dadurch
sind Gewichtsreduktion, erhöhte Nutzlast, sowie hohe Funktionsintegration in
Kombination mit einer freien Formgebung und einer beanspruchungsgerechten
Konstruktion möglich. Daneben weisen faserverstärkte Kunststoffe hohe
Energieabsorption und herausragende Ermüdungseigenschaften auf. Zur
quasi-statischen Bauteilauslegung existieren physikalisch basierte Bruchkriterien;
Analysemodelle zur quantitativen Beschreibung des gesamten komplexen
Ermüdungsversagens sind zurzeit noch Gegenstand der Forschung.
Werkstoffermüdung erfordert eine gesonderte Betrachtung bei der Auslegung
und Konstruktion. Die am Institut für Verbundwerkstoffe vorhandenen Verfahren
zur Berechnung der Ermüdung von Faserverbunden sind auf die Berechnung
ebener Belastungen an geometrisch ebenen und dünnwandigen Bauteilen
unter Verwendung linearer Werkstoffgesetze begrenzt. Der bei komplexen,
dünnwandigen und gekrümmten dreidimensionalen Bauteilen unter schwingender
Belastung vorliegende Spannungszustand erfordert zur realitätsnahen
Abbildung den Einsatz nichtlinearer Werkstoffgesetze und geeigneter Versagensmodelle
zur kontinuumsmechanischen Beschreibung der Schadensentwicklung,
welche in die Finite-Elemente-Analyse zu integrieren sind.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Weiterentwicklung eines auf der Critical-
Element-Methode basierenden Berechnungskonzepts für die Simulation der
Ermüdung von Faser-Kunststoff-Verbunden von der für geometrisch einfache
Strukturen einsetzbaren Klassischen Laminattheorie bis zum Einsatz in der
Finite-Element-Methode bei komplexen Bauteilgeometrien. Dazu wurden geeignete
nichtlineare Werkstoffgesetze und Versagensmodelle für das komplexe
Versagensverhalten unter schwingender Belastung an einem mit Endloskohlenstofffaser
verstärkten Werkstoff auf Einzelschichtebene experimentell
bestimmt und ihr Einsatz in der entwickelten Finite-Elemente-Lebensdaueranalyse
exemplarisch an einem Anwendungsbeispiel eines praktisch relevanten
Bauelements validiert.
In quasi-statischen Zug- und Druckversuchen wurden die nichtlinearen Spannungs-Verzerrungs-Beziehungen des Werkstoffs an Flachprobekörpern
ermittelt und mit der Ramberg-Osgood-Funktion beschrieben. Zur Ermittlung
ermüdungsrelevanter Kennwerte wurden Restfestigkeitsuntersuchungen nach
zyklischer Ermüdung, die Bestimmung des Steifigkeitsabfalls unter zyklischer
Belastung und Einstufenversuche zur Beschreibung der Wöhlerlinie durchgeführt.
Um die Messung des nichtlinearen Materialverhaltens im Versuch
möglichst frei von Einflüssen der Prüfvorrichtung zu ermöglichen, wurde ein
verbessertes Prüfverfahren für Zugschwell-, Druckschwell- und Zug-Druck-
Wechselprüfungen an Flachproben erarbeitet.
Unter Nutzung der experimentell ermittelten Werkstoffgesetze zusammen mit
geeigneten Versagenskriterien wurde ein Finite-Elemente-Lebensdaueranalyseprogramm
entwickelt, das durch die Verwendung eigenständiger Programmroutinen
eine für die praktikable Durchführbarkeit einer prognosefähigen Lebensdaueranalyse
notwendige Rechenzeitverkürzung erreicht. Die entwickelte
kontinuumsmechanische Versagensanalyse ermöglicht die präzise Analyse
der Einzelschichtspannungen des Laminats infolge der äußeren Belastung
in Kombination mit einer spannungsbasierten Anstrengungsanalyse zur Abbildung
der ermüdungsbedingten Degradation der Werkstoffkennwerte bis hin
zum Gesamtversagen. Die Berechnung des Degradationsfortschritts durch zyklische
Belastung ist in guter Übereinstimmung mit dem in experimentellen Untersuchungen
an quasi-isotropen Probekörpern beobachteten Versagensvorgängen.
Dieser wurde versuchsbegleitend in zweidimensionalen Röntgenaufnahmen
detektiert und durch dreidimensionale Computertomographie den Einzelschichten
zugeordnet. Durch Nachrechnung experimenteller Untersuchungen
an einem quasi-isotropen, mit Endloskohlenstofffaser verstärkten Bauelement
mit Kreisausschnitt konnte die entwickelte Lebensdaueranalyse validiert
und eine konservative Vorhersage der Versagensschwingspielzahl abgeschätzt
werden. In Variationsanalysen wurde der Einfluss der nichtlinearen
Werkstoffgesetze und eines Degradationsmodells auf die Lebensdaueranalyse
untersucht.
Die Entwicklung der integrierten Finite-Elemente-Lebensdaueranalyse stellt
einen deutlichen Fortschritt des Berechnungskonzeptes dar und ermöglicht
einen Einblick in die komplexen Interaktionen aus Geometrie, Belastung, Degradationsmodellen
und Schadensausbreitung bei Ermüdungsbelastung.