Zum Image des Busfahrers- Eine explorative Mixed-Methods-Studie

  • Innerhalb des Öffentlichen Personennahverkehrs kommen dem Busfahrer sowie seiner auszuübenden Berufstätigkeit eine bedeutende Rolle zu. Ohne Busfahrer kann zum aktuellen Zeitpunkt und auch in absehbarer Zeit das Funktionieren des Systems und damit die Mobilität zahlreicher Nutzer nicht gewährleistet werden. Laut Literatur weisen Busfahrer ein hohes Risiko für Burnout (Chen & Kao 2013) und zahlreiche körperliche Gesundheitsprobleme auf (Tse et al., 2006). Im Rahmen unterschiedlicher Studien wurden hierfür eine Reihe umfeld- und organisationsbezogene Einflussgrößen als mögliche Ursachen konstatiert. Bezüglich des Images der Berufsgruppe der Busfahrer, welches beträchtlich zum Gesundheitszustand beitragen kann, existiert bisher allerdings ein recht limitiertes Wissen. Dies veranlasste die zugrundeliegende Studie, welche das Ziel verfolgte, das Image der Berufsgruppe der Busfahrer im Linienbetrieb systematisch zu erfassen und darzustellen. Image wurde hierbei als die Gesamtheit aller Wahrnehmungen, Vorstellungen und Bewertungen definiert. Im Fokus standen zum einen zentrale Tendenzen sowie allerdings auch gruppenspezifische Unterschiede hinsichtlich des Bildes über Busfahrer. Da sich anhand des aktuellen Forschungsstandes nur einzelne Facetten des Konstrukts ableiten ließen, wurde bewusst eine stark explorierende Vorgehensweise gewählt. Zunächst wurde mit einer qualitativen Studie begonnen. Als Datenerhebungsmethode wurden insgesamt 126 Experteninterviews durchgeführt. Die Transkripte der Interviews dienten als Basis für zwei verschiedene Auswertungsmethoden: (1) Mittels der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) wurden zunächst die wichtigsten Inhalte anhand eines Kategoriensystems systematisch ermittelt und quantifiziert. (2) Im Anschluss daran wurden die einzelnen Interviewteilnehmer in Anlehnung an die Typenbildung nach Kluge (2000) mithilfe einer theoriebasierten Merkmalsmatrix unterschiedlichen Gruppen zugeordnet und charakterisiert. Daraufhin wurde im Sinne eines Mixed-Method-Ansatzes eine quantitative Studie nachgeschaltet. Basierend auf den ersten Hypothesen und Theorien aus dem qualitativen Teil des Forschungsprojektes und in Abgleich mit bereits bestehender Literatur wurde ein Fragebogen konstruiert. Insgesamt wurden 574 vollständig ausgefüllte Fragebögen zur Analyse hinzugezogen. Folgende Auswertungsmethoden standen bei der Analyse im Vordergrund: (1) Mittels deskriptiver Methoden wurden zunächst zentrale Tendenzen zu unterschiedlichen Fragebogendimensionen dargestellt und beschrieben. (2) Durch mehrere explorative Faktorenanalysen wurden die Antworten der Untersuchungsteilnehmer ausgewählter Fragebogendimension auf wenige Faktoren reduziert. Dies diente zum einen als Basis für eine durchzuführende Clusteranalyse, welche das Ziel verfolgte, die Ergebnisse der qualitativen Typisierung durch einen unterschiedlichen Zugang zum Themenfeld besser einordnen und eingrenzen zu können. Zum anderen diente die 191 Fragebogenreduzierung der Durchführung unterschiedlicher Signifikanztests zur Identifizierung von Unterschieden auf Basis demografischer Daten. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie offenbaren, dass die Berufsgruppe der Busfahrer ein schlechtes Image besitzt. Die Wahrnehmungen sind deutlich starr und vorurteilsbesetzt. Die Vorstellungen über die Berufsgruppe sind ähnlich wie die Wahrnehmungen mehrheitlich negativ. Der Busfahrer wird insgesamt als schlechter Dienstleister mit geringem Bildungsstand und unattraktivem Erscheinungsbild, welcher in einem negativ behafteten (Busverkehrs-)System mit schlechten Arbeitsbedingungen tätig ist, stigmatisiert. Das Bild über die Berufsgruppe unterscheidet sich allerdings aufgrund von Reflexionen und Wahrnehmungen über die Berufsgruppe: Sobald Personen über das Individuum Busfahrer reflektieren, sei es aufgrund einer erhöhten Hilfsbedürftigkeit, einer Angewiesenheit auf das System oder eines Zugangs zur Berufsgruppe, so besitzen sie ein deutlich positiveres Bild von der Berufsgruppe und damit in Verbindung stehenden Dimensionen. Besteht hingegen kein oder kaum ein persönlicher Bezug zur Berufsgruppe bzw. ist mehr das eigentliche Busverkehrssystem statt der Busfahrerperson von Bedeutung (die selbst bei Nutzung nicht wahrgenommen wird), so ist das Bild entweder vage oder deutlich vorurteilsbesetzter und insgesamt negativer. Die aktuelle Busnutzung ist laut Ergebnissen der zugrundeliegenden Studie nicht als entscheidend zu werten. Es wird davon ausgegangen, dass Erfahrungswerte, selbst wenn sie in der Vergangenheit liegen, und eine bewusste Auseinandersetzung mit der Berufsgruppe entscheidend sind. Die Ergebnisse der Studie zeigen allerdings ebenso, dass der deutlich stärkere Bezug zur Busfahrerperson zu beträchtlich höheren Ansprüchen gegenüber der Berufsgruppe einhergeht, welche von den Teilnehmern auch als wichtig bewertet werden: Busfahrer werden quasi als „persönlicher Taxifahrer“ oder „personenbezogener Dienstleister“ angesehen, der eine Vielzahl an Leistungen zu erfüllen habe, welche mehrheitlich den Service und nicht die eigentliche Beförderungsleistung betreffen. Zur Imageverbesserung müssen folglich mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Zum einen müssen vor allem Nutzer mit hoher Leistungserwartung über die eigentliche Beförderungsaufgabe des Busfahrers aufgeklärt und darüber informiert werden, dass sie keinen rechtlichen Anspruch auf Serviceleistungen besitzen. Zum anderen gilt es die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung derjenigen auf den Busfahrer zu richten, die mehr das Busverkehrssystem und nicht die eigentliche Busfahrerperson anerkennen. Weiterhin gilt es, die mediale Präsenz der Berufsgruppe authentischer zu gestalten und den Aufmerksamkeitsfokus mehr auf die Beförderungsleistung und die gesellschaftliche Bedeutung und Verantwortung der Busfahrer zu lenken.

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Metadaten
Author:Giulia Maria Bradaran Jamili
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-69732
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/6973
Advisor:Arne Güllich, Christian Haas
Document Type:Doctoral Thesis
Language of publication:German
Date of Publication (online):2022/10/22
Date of first Publication:2022/10/22
Publishing Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Granting Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Acceptance Date of the Thesis:2022/09/16
Date of the Publication (Server):2022/10/25
Tag:Busfahrer; Image
Page Number:XXX, 191
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Sozialwissenschaften
DDC-Cassification:3 Sozialwissenschaften / 300 Sozialwissenschaften, Soziologie, Anthropologie
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)