Gesundheitsbezogenes Positives Selbstmanagement - Konzeption und Evaluation einer Intervention für die stationäre Langzeitentwöhnung alkoholabhängiger Menschen

  • und wird in Europa immer noch als selbstverständlich erachtet. Der Konsum ist nicht nur für die Wirtschaft gewinnbringend, jedem Einzelnen sind zunächst Vorteile sicher. Dabei birgt dies vor allem in Permissivkulturen die große Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Alkoholabhängigkeit ist eine schwerwiegende, chronische Erkrankung, deren Bewältigung eine Herausforderung für Betroffene, Behandelnde und das Gesundheitssystem darstellt, da sie mit zahlreichen und vielschichtigen Konsequenzen einhergeht. Um einen langfristigen eigenverantwortlichen Umgang, ein zufriedenes autonomes Leben, weitgehend ohne diese psychoaktive Substanz zu gestalten, ist es wichtig, Ressourcen zu stärken, die dies ermöglichen. Ressourcenbasierte Ansätze und Empowerment Betroffener haben daher in jüngerer Vergangenheit deutlichen Aufschwung erfahren. Die Prävalenzraten Alkoholabhängiger und die dazugehörig weitreichenden Auswirkungen fordern trotzdem, die Entwicklung von Behandlung und Prävention voranzutreiben. Trainingsinterventionen, die Selbstmanagementkompetenzen fördern, dabei zu mentaler Stärke führen und Wohlbefinden im Sinne des Aufblühens und Gedeihens generieren, wurden bereits evaluiert und haben sich als effektiv gezeigt. Die Idee, Positives Selbstmanagement in den klinisch-psychologischen Kontext zu integrieren, wurde bisher nur bedingt umgesetzt. Auf Basis von Theorie und vorhandenen Forschungsergebnissen wurde vor dem Hintergrund der Positiven Psychologie und des Selbstmanagements ein Trainingskonzept für eine Intervention in der stationären Entwöhnungsbehandlung alkoholabhängiger Patienten konzipiert, mit dem Ziel, Ressourcen und Recovery-Kapital aufzubauen, um Betroffene in der Bewältigung ihrer Erkrankung zu unterstützen. Die Maßnahme „GPS – Gesundheitsbezogenes Positives Selbstmanagement“ umfasst über den Zeitraum von sechs Wochen wöchentliche Plenumseinheiten, vertiefende Diskussionsrunden und Transferaufgaben, um Selbstmanagementkompetenzen in Theorie und Praxis zu erlernen. Das vorliegende wissenschaftliche Projekt umfasst drei aufeinander aufbauende Studien. Studie I und Studie II beinhalteten qualitative und quantitative Daten und dienten der formativen Evaluierung, um das Trainingskonzept adaptieren zu können. In Studie I lieferten semi-strukturierte Interviews mit behandelnden Experten (N = 8) und betroffenen Patienten (N = 12) Informationen zum Entwicklungsbedarf positiv-psychologischer Interventionen zur Förderung von Selbstmanagementkompetenzen, zu Anforderungen an entsprechende Interventionen und zu einer Einschätzung des theoretisch abgeleiteten Trainingskonzepts. Studie II überprüfte in einem Probelauf (N = 14) die Akzeptanz, Durchführbarkeit und erste Wirksamkeit im realen Klinik-Setting und generierte detailliertes Feedback zur weiteren Optimierung des Konzepts und der Durchführung. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde die Trainingsintervention sowohl zeitlich als auch methodisch und inhaltlich angepasst. Die aufwändige Logistik der Datenerhebung innerhalb der Klinikstruktur und bei der spezifischen Zielgruppe wurde ebenfalls optimiert. In Studie III wurde die Trainingsintervention sowohl qualitativ als auch quantitativ evaluiert. Am Ende der sechswöchigen Intervention wurde die unmittelbare Reaktion der Teilnehmenden auf das Treatment erfasst, wobei das Feedback überdurchschnittlich positiv ausfiel. Die Wirksamkeit der Intervention wurde anhand von Selbsteinschätzungsdaten überprüft, die dazu vor und nach der Maßnahme erhoben wurden. Über die Selbstbeschreibungsmaße wurde zudem ein Transfer des Erlernten auf das Verhalten angenommen. Es hat sich gezeigt, dass die Treatmentgruppe (N = 52) im Unterschied zur Vergleichsgruppe (N = 52) Selbstmanagementkompetenzen (Anwendung der Techniken der Positiven Psychologie, Achtsamkeit), mentale Stärke (Selbstwirksamkeitserwartung, Resilienz, Emotionsregulation, Hoffnung, Selbstvertrauen) und die Positiven Outcomes (Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und Vitalität) signifikant verbessern konnte. Für die Variablen Positives Gesundheitsverhalten, Optimismus, Psychische Belastung (inklusive Depressivität und Ängstlichkeit) und die Reduktion dysfunktionale Kognitionen zeigten sich tendenziell ähnliche Entwicklungen; jedoch erreichten die Gruppen am Ende des Beobachtungszeitraums vergleichbare Ergebnisse. Dies gilt auch für die alkoholbezogenen Aspekte Trinkverlangen und Abstinenzzuversicht. Längere Beobachtungszeiträume und ein größerer Stichprobenumfang wären erforderlich um ein deutlicheres Bild zu generieren. Zusätzlich wurde untersucht, ob verschiedene Patientengruppen unterschiedlich von dem Training profitieren. Es konnten lediglich deskriptiv Tendenzen abgebildet, jedoch keine signifikanten Unterschiede dokumentiert werden. In die Untersuchung wurde zu der sechs-wöchigen Intervention explorativ der gesamte Zeitraum der 90-tägigen stationären Entwöhnungsbehandlung inkludiert. Die Daten zeigen, dass sich die Parameter unter Abstinenz und stationärem Aufenthalt insgesamt positiv entwickeln, jedoch nach anfänglicher Steigerung nur durch die GPS-Intervention signifikante Verbesserungen erzielt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die „GPS – Gesundheitsbezogenes Positives Selbstmanagement“ -Intervention effektiv und erfolgreich ist und die Patienten dabei unterstützt Ressourcen aufzubauen und damit Patienten mit Alkoholabhängigkeit in der Krankheitsbewältigung unterstützt. Die empirischen Untersuchungen werden theoretisch, methodisch und hinsichtlich ihrer Implikationen für zukünftige Forschung und Anwendung in der Praxis diskutiert.
  • The consumption of alcoholic beverages is deeply embedded in the history and culture of humani-ty and is still considered commonplace in Europe. The use of alcohol not only provides economic benefits; there are also immediate advantages for individuals. However, particularly in permissive cultures, there is a significant risk of developing a dependency. Alcohol dependence is a serious illness, and managing this chronic condition presents challenges for those affected, their treatment providers, and the healthcare system, as it is associated with numerous and multifaceted conse-quences. To facilitate a long-term, self-responsible approach to living a satisfying and autonomous life largely free from this psychoactive substance, it is essential to strengthen the resources that enable such a lifestyle. Resource-based approaches and the empowerment of affected individuals have gained momentum in recent years. Nevertheless, the prevalence rates of alcohol depend-ence and its far-reaching effects demand the advancement of treatment and prevention strate-gies. Intervention programs that promote self-management skills, lead to mental resilience, and foster well-being in the sense of flourishing and thriving have already been evaluated and shown to be effective. However, the idea of integrating Positive Self-Management into the clinical psychological context has not yet been explored. Based on theories and existing research findings, a training concept was developed for an inter-vention in inpatient detoxification treatment for alcohol-dependent patients against the backdrop of Positive Psychology and Self-Management, aimed at building recovery capital to support indi-viduals in managing their condition. The program "GPS – Gesundheitsbezogenes Positives Selbstmanagement" includes weekly plenary sessions, in-depth discussion rounds, and transfer tasks over a six-week period to learn self-management competencies in theory and practice. This scientific project comprises three successive studies. Study I and Study II primarily involved qualitative data and served as formative evaluations to adapt the training concept. In Study I, semi-structured interviews with treating experts (N = 8) and affected patients (N = 12) provided insights into the development needs for positive psychological interventions to promote self-management skills, requirements for appropriate interventions, and an assessment of the theoretically derived training concept. Study II tested the acceptance, feasibility, and initial effectiveness in a pilot run (N = 14) within a real clinical setting, generating detailed qualitative feedback for further optimizing the concept and implementation. Based on these results, the training intervention was adjusted in terms of timing, methodology and content. The complex logistics of data collection within the clini-cal structure and among the target group were also optimized. In Study III, the training intervention was evaluated both qualitatively and quantitatively. At the end of the six-week intervention, participants’ immediate reactions to the treatment were rec-orded, with feedback being overwhelmingly positive. The effectiveness of the intervention was assessed through self-report data collected before and after the program. Furthermore, self-report measures suggested a transfer of learned skills into actual behavior. Findings showed that the treatment group (N = 52) significantly improved in self-management skills (application of Posi-tive Psychology techniques, mindfulness), mental resilience (self-efficacy, resilience, emotion reg-ulation, hope, self-confidence), and positive outcomes (well-being, life satisfaction, and vitality) compared to the control group (N = 52). For variables such as positive health behavior, optimism, psychological distress (including depression and anxiety), and the reduction of dysfunctional cogni-tions, similar trends were observed, but the groups achieved comparable results by the end of the observation period. This was also true for alcohol-related aspects such as craving and abstinence confidence. Longer observation periods and a larger sample size would be required to obtain a clearer picture. Additionally, it was examined whether different patient groups benefited differ-ently from the training. While descriptive trends were observed, no significant differences could be documented. The study also explored the entire 90-day inpatient rehabilitation period beyond the six-week intervention. The data indicate that, under conditions of abstinence and inpatient care, the measured parameters improved overall; however, only the GPS intervention led to sig-nificant long-term improvements after an initial increase. In summary, the "GPS – Gesundheitsbezogenes Positives Selbstmanagement " intervention can be stated to be effective and successful and supports patients in building recovery capital. The empirical investigations are discussed in terms of their theoretical, methodological, and practical implications for future research and application

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Metadaten
Author:Judith Geißler
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-91847
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/9184
Advisor:Ottmar L. Braun, Anton R. Laireiter
Document Type:Doctoral Thesis
Cumulative document:No
Language of publication:German
Date of Publication (online):2025/09/18
Date of first Publication:2025/09/26
Publishing Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Granting Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Acceptance Date of the Thesis:2025/08/22
Date of the Publication (Server):2025/09/26
Tag:Alkoholabhängigkeit; Langzeitentwöhnung; Mentale Stärke; Rückfallprophylaxe; Selbstmanagement; Suchtbehandlung
GND Keyword:AlkoholismusGND; Positive PsychologieGND; Klinische PsychologieGND; WohlbefindenGND; SuchttherapieGND; PräventionGND; SelbstwirksamkeitGND; InterventionGND; EvaluationGND; Psychische BelastungGND
Page Number:426 Seiten
Faculties / Organisational entities:Landau - Fachbereich Psychologie
DDC-Cassification:1 Philosophie und Psychologie / 150 Psychologie
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung (CC BY 4.0)