Zum Umgang mit der Komplexität von Bauvorhaben (Indikatorbezogenes Modell zur Bewertung von Komplexität in Bauprojekten)

  • Die Zusammenarbeit von Menschen in Projekten ist geprägt von ihren persönlichen Erfahrungen und Interessen im jeweiligen Umfeld. Dieses Umfeld − nennen wir es hier „System“ − hat wiederum eigene Interessen und befindet sich in einem erweiterten Umfeld. Dieses Systemumfeld kann bis zum Erreichen des Universums ausgedehnt werden. Die Notwendigkeit in großen Bauvorhaben, mit der Komplexität umgehen zu können, setzt die Kenntnisse der Zusammenhänge und den Willen zum systemorientierten Handeln voraus. In einem Bauprojekt ist eine endliche Menge von handelnden Personen mit ihren jeweiligen Rollen, Aufgaben und Abhängigkeiten in den sie umgebenden Systemen (Organisationen) vorhanden. Im Wesentlichen werden die Hauptfunktionen in Projekten durch Bauherr, Planer und der ausführenden Firma dargestellt. Eine besondere Rolle kommt hier dem Bauherrn bzw. seinen Erfüllungsgehilfen im Projektmanagement zu. Projektmanager haben als einzige die Chance, von Anfang bis Ende den gesamten Projektlebenszyklus zu erleben. Als Teil ihrer Aufgaben kümmern sie sich um die Zieldefinitionen für Organisation, Qualitäten und Quantitäten, Termine, Kosten und rechtliche Rahmenbedingungen und steuern die durch die Bauherren beauftragten Planer und ausführenden Firmen. Die heute bei großen Bauvorhaben vorkommenden „fungierenden Bauherren“ und die „öffentlichen Bauherren“ bestehen aus Bauherrenorganisationen mit einer Vielzahl von Akteuren. Hieraus erwächst die Notwendigkeit, die zahlreichen Beteiligten mit ihren verschiedenen Organisationen in Bezug auf die verschieden gelagerte Interessenlage zu koordinieren und zielorientiert zu führen. Durch die notwendige Integration der weiteren Systemkreise von Planern und ausführenden Firmen entstehen neue, zusätzliche Steuerungsaufgaben, und die Komplexität des Projektes steigt in Dimensionen, die ohne systemorientierten Ansatz nur schwer zu durchschauen und somit kaum noch zu bewältigen ist. Zur Klärung der Fragen, welche Gestalt die Komplexität in großen Bauvorhaben annehmen und wie ein Projektmanager mit diesen Herausforderungen umgehen kann, zielte die Arbeit auf die Erforschung der Grundlagen von Komplexität und die Analyse ihrer Auswirkungen auf das Bauprojektmanagement. Das entstandene Modell basiert auf zwölf charakterisierenden Eigenschaften komplexer adaptiver Systeme und bildet hieraus fünf Merkmale für den systemischen Aufbau und Ablauf von Bauvorhaben. Berücksichtigt wird, wie die Elemente und Teilsysteme zueinander stehen, und obwohl sie unterschiedliche Charakteristika bzw. Zustände aufweisen können, dennoch ein gemeinsames Verhalten erzeugen und eine Identität zum Umfeld herausbilden können. Hierzu sind neben Struktur und Veränderungen in einem komplexen System auch die Wahrnehmungen und das Verhalten der Beteiligten sowie die Umwelt eines Projektes maßgebend. Im Rahmen einer Expertenbefragung mit vierzig standardisierten Interviews, die mit Vertretern der drei Systemkreise Bauherr, Planer und ausführende Firma geführt wurden, konnte im ersten Schritt das Wissen über Komplexität und die Zusammenhänge zum Baumanagement herausgearbeitet werden. Diese Erkenntnisse wurden ergänzt um die Analyse verschiedener Bewertungsschemata und auf dieser Basis zehn Indikatoren herausgebildet, die sich in fünf Subsystemen eines Bauvorhabens darstellen. Jeder Indikator wurde in Bezug auf die fünf Merkmale der Komplexität in Bauvorhaben untersucht, und Teilaspekte wurden zur Bewertung herangezogen. Es erfolgt eine relative Bewertung mit einer Einstufung von 1 bis 5 (sehr geringe bis sehr hohe Komplexität). Das Modell liefert im Ergebnis Komplexitätsgrade der einzelnen Indikatoren, der Merkmale und letztlich des gesamten Bauvorhabens. Eine anwendungsorientierte Fallstudie mit anschließenden Optimierungsansätzen und darauf aufbauenden Präventionsvorschlägen verifizieren den Modellansatz. In der vorliegenden Arbeit konnte dargestellt werden, wie die unzureichende Wahrnehmung von Komplexität im Bereich des Projektmanagements, gerade zu Beginn eines Projektes, die Steuerung eines Projektes erschweren und Störungen im Projekt zur Folge haben. Das Ergebnis kann das Projektmanagement bei der Erfüllung seiner komplexen Aufgaben unterstützen und Entscheidungshilfen zur Prävention leisten. Die Modellierung erfolgt unter dem Bewusstsein, dass die getroffene Auswahl den Stand der Forschung darstellt, ohne jedoch einen Anspruch auf Vollständigkeit oder Unveränderlichkeit zu erheben. Weiteren Forschungsvorhaben im Aufgabenfeld des Projektmanagements können die beschriebenen Ansätze dienlich sein, um ergänzende Ansätze zu einem besseren Umgang mit Baumaßnahmen zu finden.

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Metadaten
Verfasser*innenangaben:Wilfried Hoffmann
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-51241
Betreuer*in:Karsten Körkemeyer
Dokumentart:Dissertation
Sprache der Veröffentlichung:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):08.01.2018
Jahr der Erstveröffentlichung:2018
Veröffentlichende Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Titel verleihende Institution:Technische Universität Kaiserslautern
Datum der Annahme der Abschlussarbeit:21.12.2017
Datum der Publikation (Server):10.01.2018
Freies Schlagwort / Tag:Bauvorhaben; Komplexität; Projektmanagement
Seitenzahl:XXI, 382
Fachbereiche / Organisatorische Einheiten:Kaiserslautern - Fachbereich Bauingenieurwesen
DDC-Sachgruppen:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 624 Ingenieurbau und Umwelttechnik
Lizenz (Deutsch):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)