Physik nicht-trivialer Kopplungen in dielektrischen Wellenleiterstrukturen

  • Viele der optischen und elektrischen Eigenschaften eines Festkörpers lassen sich einfach im Einteilchenbild durch die Bewegung der Elektronen erklären. Die Propagation eines einzelnen Elektrons im Festkörper ist jedoch quasi unmöglich nachzuverfolgen. Daher werden oft die Systeme mit interessanten Phänomenen in einem äquivalenten Modellsystem repliziert und untersucht. Dadurch lässt sich beispielsweise auch der Einfluss einzelner Modellelemente oder von Grenzflächen und Defekten oder Störungen auf die Phänomene getrennt voneinander betrachten. In dieser Arbeit werden Strukturen aus gekoppelten dielektrischen Wellenleitern als Modellsystem betrachtet. Das Licht in einem Wellenleiter wird hauptsächlich im hochbrechenden Medium geführt, aber da das evaneszente Feld nur exponentiell mit dem Abstand abfällt, gibt es auch außerhalb vom Kern des Wellenleiters eine nicht verschwindende Feldstärke. Wie bei der frustrierten Totalreflexion kann das Licht durch das evaneszente Feld von einem Wellenleiter in einen nahegelegenen überkoppeln bzw. optisch tunneln. Je näher die Wellenleiter zusammen sind, desto schneller koppelt das Licht vom einen zum andern über. Damit koppelt das Licht in einem Gitter aus Wellenleitern analog zu beispielsweise einem Elektron, welches in einem Gitter aus Atomen – einem Festkörper – von einem Atom zum nächsten tunnelt. Diese Analogie ist auch mathematisch durch die Äquivalenz der paraxialen Helmholtz-Gleichung und der zweidimensionalen Schrödingergleichung gegeben, wie in Kapitel 4 genauer erläutert wird. Der Fokus in dieser Arbeit liegt auf Strukturen mit nicht-trivialen Kopplungen, also Kopplungen, die sich nicht durch eine positive Zahl angeben lassen, sondern die negative oder auch komplexe Werte annehmen. Der Betrag einer Kopplung gibt an, wie schnell die Dynamik stattfindet, also wie schnell von einem zu einem anderen Gitterpunkt übergekoppelt wird. Die Phase oder das Vorzeichen der Kopplung bestimmen hingegen, ob die Eigenzustände des Systems wegen dieser Kopplung energetisch angehoben oder abgesenkt werden. In dieser Arbeit wird gezeigt, dass diese nicht-trivialen Kopplungen teilweise “natürlich” auftreten, wie sie für die Realisierung eines topologischen Systems explizit implementiert wurden und wie sie für eine mögliche Anwendung genutzt werden können. Um die Dynamik des Lichts in den Wellenleiterstrukturen zu beschreiben, wird zu Beginn von Kapitel 4 das System so weit vereinfacht, dass es durch endlich viele gekoppelte Differenzialgleichungen beschrieben werden kann. Zudem werden in diesem Kapitel die numerischen Methoden erläutert, die verwendet wurden, um mit den Parametern des Experiments die Eigenmoden zu bestimmen und die Propagation des Lichts vorherzusagen. Das direkte Laserschreiben sowie die Schreibstrategien für die Herstellung der Wellenleiterstrukturen und der verwendete Messaufbau werden anschließend im Kapitel 5 beschrieben. In Kapitel 6 werden die Kopplungen zu weiter entfernten Wellenleitern in einer einfachen eindimensionalen Kette untersucht. Dabei zeigt sich, dass bei einer geraden Anordnung die Kopplung zum übernächsten Wellenleiter negativ ist. Durch eine angewinkelte Anordnung kann der Abstand zum übernächsten Nachbarn verringert und damit die Kopplung auf Null und darüber hinaus in den positiven Bereich erhöht werden. Dass diese Kopplung in diesen Anordnungen sowohl positiv als auch negativ bzw. auch Null sein kann, wird einerseits experimentell demonstriert, aber auch theoretisch vorhergesagt und intuitiv begründet. In Kapitel 7 wird ein zweidimensionales topologisch nicht-triviales Gitter betrachtet. Nach einer Einführung in topologische Systeme in der Physik zu Beginn des Kapitels wird der Quadrupol topologische Isolator und dessen topologische Invariante erläutert. Die Symmetrien des Quadrupol topologischen Isolators verlangen, dass das Gitter von einem magnetischen π-Fluss durchströmt wird. Da magnetische Felder das Licht in den Wellenleiterstrukturen nicht beeinflussen, wird im Experiment der Effekt durch ein künstliches Magnetfeld mithilfe negativer Kopplungen realisiert. Diese negativen Kopplungen werden durch die Anordnung von Wellenleitern realisiert, die die Kopplung zwischen verschiedenen Moden ermöglichen. In Kapitel 8 wird eine ringförmige Kette von Wellenleitern verwendet, die ebenfalls von einem künstlichen Magnetfeld durchflossen wird. In diesem Fall äußert sich das künstliche Magnetfeld in komplexen Kopplungen und darin, dass die Eigenzustände je nach Ausrichtung ihres Drehimpulses energetisch angehoben oder abgesenkt werden. Die Tatsache, dass die Drehimpulszustände energetisch getrennt werden können, wird genutzt, um über eine adiabatische Entwicklung die räumlich getrennten Moden von einzelnen Wellenleitern effizient in konzentrische Moden mit definiertem Drehimpuls zu überführen. Die Struktur kann auch umgekehrt verwendet werden, um Drehimpuls-Moden wieder zu separieren. Damit stellt die Struktur eine Alternative zur Erzeugung oder Dekomposition dieser Drehimpulsstrahlen dar und könnte z.B. zur Erhöhung der Datenübertragungsrate von Glasfasern verwendet werden. Zum Schluss wird ein kurzes Fazit gezogen. Im anschließenden Ausblick wird begründet, warum für zukünftigen Arbeiten insbesondere Gitter aus Wellenleitern, die höhere Moden führen, interessant sein könnten, und warum das direkte Laserschreiben eine dafür gut geeignete Plattform darstellt. Zudem werden Anstöße gegeben, welche komplexeren Systeme mit diesen Moden realisiert werden könnten.
  • Many of the optical and electrical properties of a solid can be explained simply with the single-particle description by the movement of the electrons. However, the propagation of a single electron in a solid is almost impossible to trace. Therefore, systems with interesting phenomena are often replicated and investigated in an equivalent model system. This allows, for example, to investigate the influence of individual model parameters or of interfaces and defects or disorder on the phenomena separately. In this work, structures of coupled dielectric waveguides are considered as a model system. The light in a waveguide is mainly guided in the highly refractive medium, but since the evanescent field only decreases exponentially with distance, there is also a non-vanishing field strength outside the core of the waveguide. As with frustrated total internal reflection, the evanescent field allows light to couple from one waveguide to a nearby one. The closer the waveguides are together, the faster the light couples from one to another. This means that the light in a lattice of waveguides couples analogously to, for example, an electron tunneling in a lattice of atoms – a solid – from one atom to the next. This analogy is also given mathematically by the equivalence of the paraxial Helmholtz equation and the two-dimensional Schrödinger equation, as explained in more detail in chapter 4. This thesis focuses on structures with non-trivial couplings. In other words, couplings that cannot be specified by purely positive real numbers, but which take on negative or even complex values. The magnitude of a coupling indicates how quickly the dynamics take place, i.e. how quickly the light is coupled from one site to another. The phase or the sign of the coupling, on the other hand, determines whether the eigenstates of the system are raised or lowered in energy due to this coupling. In this thesis, it is shown that these non-trivial couplings occur sometimes “naturally”, how they were explicitly implemented for the realization of a topological system and how they can be used for a possible application. In order to describe the dynamics of light in the waveguide structures, the system is simplified such that it can be described by a finite number of coupled differential equations in chapter 4. In addition, this chapter explains the numerical methods used to determine the eigenmodes and predict the propagation of the light for the structures with the parameters of the experiment. The direct laser writing as well as the writing strategies for the fabrication of the waveguide structures and the measurement setup used are then described in the chapter 5. In chapter 6 the couplings to more distant waveguides are investigated in a simple one-dimensional chain. This shows that with a straight arrangement, the coupling to the next nearest waveguide is negative. An angled arrangement can reduce the distance to the next nearest neighbor and thus increase the coupling to zero and beyond. The fact that this coupling in these arrangements can be both positive and negative or even zero is demonstrated experimentally but also predicted theoretically and justified intuitively. In chapter 7 a two-dimensional topological non-trivial lattice is considered. After an introduction to topological systems in physics at the beginning of the chapter the quadrupole topological insulator and its topological invariant are explained. The symmetries of the quadrupole topological insulator require that a magnetic π flux flows through the lattice. Since magnetic fields do not influence the light in the waveguide structures, the effect is realized in the experiment by an artificial magnetic field using negative couplings. These negative couplings are implemented by arrangement of waveguides that allow the coupling between different modes. In chapter 8, a ring-shaped chain of waveguides is used, through which an artificial magnetic field flows. In this case, the artificial magnetic field manifests itself in complex couplings and in the fact that the eigenstates are raised or lowered in energy depending on the orientation of their angular momentum. The fact that the angular momentum states can be energetically separated is used to efficiently transform the spatially separated modes of individual waveguides into concentric modes with defined angular momentum via an adiabatic evolution. The structure can also be used in reverse to separate angular momentum modes again. The structure thus represents an alternative to the generation or decomposition of these angular momentum beams and could be used, for example, to increase the data transmission rate of optical fibers. Finally, a brief conclusion is drawn. In the following outlook is explained why lattices made of waveguides carrying higher modes could be of particularly interest for future work and why direct laser writing is a particular suitable platform for thise experiments. In addition, impulses are given as to which more complex systems could be realized with these modes.

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Metadaten
Author:Julian SchulzORCiD
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-90175
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/9017
Advisor:Georg von FreymannORCiD
Document Type:Doctoral Thesis
Cumulative document:No
Language of publication:German
Date of Publication (online):2025/05/05
Year of first Publication:2025
Publishing Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Granting Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Acceptance Date of the Thesis:2025/02/14
Date of the Publication (Server):2025/05/14
Page Number:113
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Physik
DDC-Cassification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 530 Physik
PACS-Classification (physics):40.00.00 ELECTROMAGNETISM, OPTICS, ACOUSTICS, HEAT TRANSFER, CLASSICAL MECHANICS, AND FLUID DYNAMICS / 42.00.00 Optics (for optical properties of gases, see 51.70.+f; for optical properties of bulk materials and thin films, see 78.20.-e; for x-ray optics, see 41.50.+h) / 42.82.-m Integrated optics / 42.82.Et Waveguides, couplers, and arrays (for fiber waveguides, see 42.81.Qb)
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung (CC BY 4.0)