(Wie viel) Strafe muss sein? Was die Öffentlichkeit denkt und die Wissenschaft empfiehlt. Punitivität, Moralvorstellungen und motivierte Verzerrungen bei der Rezeption empirischer Forschungsbefunde zum Thema Wirksamkeit von Strafe.

  • Wissenschaftliche Evidenz zum Thema "(Un-)Wirksamkeit von Strafe" wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. In der vorliegenden Arbeit wird vermutet, dass es bei der Rezeption zu motivierten Verzerrungen, genauer gesagt, zu einer Bedrohung der moralischen Wertvorstellungen kommt, infolgedessen wissenschaftliche Erkenntnisse diskreditiert und abgelehnt werden. Hierfür wurde zunächst die moralische Begründung von persönlichen Strafeinstellungen systematisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass eine deliktspezifische (nach Kriminalitätsbereichen aufgeteilte) Betrachtung erforderlich ist. Regressionsanalysen konnten die qualitativen Unterschiede hinsichtlich der zugrundeliegenden Wertvorstellungen belegen. Die Art und Weise der Operationalisierung erwies sich hierbei als entscheidend für den "moralischen Gehalt" der individuellen Strafeinstellung. Eine Bedrohung moralischer Wertvorstellungen durch einen wissenschaftlichen Artikel, der sich gegen die Wirksamkeit von harten Strafen (deliktspezifisch) ausspricht, konnte nicht nachgewiesen werden. Weitere Moderationsanalysen offenbarten jedoch unabhängig von den persönlichen Wertvorstellungen eine motivierte Verzerrung bei der Rezeption des Artikels: TeilnehmerInnen, die an die Wirksamkeit von Strafe glaubten, bewerteten einen Artikel, der dies widerlegte, schlechter als diejenigen, die einen Artikel lasen, der dies bestätigte. Diese Verzerrungen liegen jedoch nicht in einer moralischen Bedrohung begründet, sondern lassen sich vielmehr als Strategie zur Auflösung von Dissonanz bei Konfrontation mit einstellungsinkonsistenten Inhalten verstehen. Kern des Problems sind offenbar nicht die untersuchten persönlichen Wertvorstellungen und deren Bedrohung, sondern das hohe Ausmaß der Diskrepanz zwischen öffentlicher und wissenschaftlicher Meinung. Diese Erkenntnis ist insofern von Bedeutung, als dass sie ein Bewusstsein für die Gefahren (z.B. eines Bumerang-Effekts) bei der Kommunikation der Inhalte schafft. Insgesamt betrachtet tragen die Ergebnisse zu einem tieferen Verständnis persönlicher Strafeinstellungen bei und liefern Ansatzpunkte für die Entwicklung von Strategien zur überzeugenden Kommunikation kriminologischer Erkenntnisse bezüglich der Sinnhaftigkeit von Strafe.

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Metadaten
Author:Ruth Lachmuth
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-72378
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/7237
Advisor:Tobias Rothmund, Helmut Kury
Document Type:Doctoral Thesis
Language of publication:German
Date of Publication (online):2023/04/13
Year of first Publication:2023
Publishing Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Granting Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Acceptance Date of the Thesis:2023/03/17
Date of the Publication (Server):2023/04/14
Page Number:276 Seiten
Faculties / Organisational entities:Landau - Fachbereich Psychologie
DDC-Cassification:1 Philosophie und Psychologie / 150 Psychologie
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)